Haben heute Bräuche, Mystik und Aberglaube noch Bedeutung?
In Windeseile hat sich auch dieses Jahr wieder dem Ende geneigt und die stille Zeit klopft an unsere Türen.
Was es mit dieser „stillen Zeit“ auf sich hat und ob die alten Bräuche, welche sich um die Weihnachtszeit ranken überhaupt noch einen Platz in unserem modernen Leben haben, zeigt das „rachn’ und sprengn’“, ein nach wie vor gelebter Brauch im Tuxertal.
Um das Brauchtum der Raunächte (auch „heilige Zwölften“, Rauhnächte oder Rauchnächte genannt) zu verstehen, sollten wir zu allererst unseren Geist für eine gesunde Prise Aberglaube und Mystik öffnen, um dann einen Blick auf Mond- und Sonnenkalender zu werfen. Der zwölfmonatige Mondkalender zählt 354 Tage, elf Tage – beziehungsweise zwölf Nächte – weniger als das Sonnenjahr mit 365 Tagen. Nach diesen zwölf Nächten, welche „außerhalb der Zeit“ der Mondmonatsrechnung liegen, ist das Brauchtum der Raunächte entstanden. Mythologien beharren darauf, dass an diesen „toten Tagen“ die Gesetze der Natur außer Kraft treten und die Grenzen zu der Welt der Geister und Dämonen fällt. Der Zeitraum, beschränkt sich auf die zwölf Weihnachtstage, beginnend mit der Christnacht, dem Heiligen Abend (24./25. Dezember), Silvester (31. Dezember/ 1. Januar) und dem Vorabend des Heiligen-Drei-Königstages (5./6. Januar).
Der heidnische Glaube weihte diese Nächte den heranziehenden Gottheiten im Wintersturm. Im Zuge der Christianisierung benannte man es um auf „die Wilde Jagd“. Dieser geglaubte Freigang der Geister hat unzählige Aberglauben und damit verbundene Verbote erzeugt. Weiße Wäsche soll nicht aufgehängt werden, da die Geister sie entwenden und dem Besitzer als Leichentuch im neuen Jahr bringen werden. Überhaupt sind Wäscheleinen zu vermeiden, da sich die Geister darin verfangen könnten. In den Ställen, so glaubt man, fangen die Tiere um Mitternacht der Raunächte an, die menschliche Sprache zu beherrschen. War der Bauer nicht gut zu ihnen, so würden dann Beschwerden laut und sogar von der Zukunft berichten sie. Aber besser man hört das Reden der Tiere nicht, denn es bedeutet den sofortigen Tod! Auch Türen sollten leise geschlossen werden, um Unfrieden im neuen Jahr zu vermeiden.
Bei diesen, zum Teil schaurigen Überlieferungen wundert es nicht, dass zur Mitte der Raunächte, an Silvester, Feuerwerke gezündet werden um viel Krach zu machen, in der Hoffnung es könnte die bösen Geister vertreiben. Auch die Tuxer Pechtn’ stehen in enger Verbindung mit den Aberglauben der Geisteraustreibung der Raunächte. Unkenntlich verkleidet ziehen die Pechtn’ von Haus zu Haus und wünschen ein gesundes neues Jahr und bringen mit ihrem Besuch Glück und Segen auf die besuchten Höfe.
Auch Positives entspringt den Raunächten. So werden Kindern, welche am Samstag oder Sonntag der Raunächte geboren sind, magischer Kräfte zugesprochen. Auch Heilkräutern wird in dieser Zeit eine besonders starke Wirkung nachgesagt. Daher auch der Brauch des Beräucherns (rachn’) und Weihwasser spritzens (spreng’n) in Haus, Hof und den Ställen.
Hierzu wird ein Feuer im Herd angezündet und eine ordentliche Glut erzeugt. Diese wird in eine Pfanne oder Schale gegeben und darauf einige der Harzbrocken des Weihrauches gelegt. Die Familie, zumeist auch heute noch vom Hausherren angeführt, geht mit der rauchenden Pfanne voran durch alle Zimmer des Hofes. Nach dem Haus wird auch der Stall mit dem Schutzritual gegen böse Geister und Krankheiten bedacht. Auch wenn heutzutage das andächtige Gebet nicht mehr allerorts ausgeübt wird, so unterliegt dieses Ritual festen Regeln. Das letztgehende Familienmitglied tätigt die Aufgabe des „sprengn’s“ des Weihwassers. Dieses wird aus einem Becher oder einer dafür vorgesehenen Schale mit einem Tannenzweig in die Räume gespritzt.
Wenn also die Ferienunterkunft im Tuxertal zukünftig in den Nächten nach Weihnachten nach Weihrauch duftet, so heißt es einen Augenblick innehalten und das Gefühl von Ruhe und Stille auch in die eigene Seele einzulassen.
Wir wünschen eine frohe Weihnacht!
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